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Der Cloud Reality Check 2015
20. Juli 2015
Es hat sich viel ereignet seit dem letzten Blog-Beitrag. Dinge von weltpolitischer Dimension. Dinge von gesellschaftlichen Belangen. Wie auch so manch traurige Katastrophe. Begleitet von sinnentleerten Ökonomdiktaten mit ihren Trends und tollen Slogans (CeBit) hebt Deutschland ab in die Cloud und erleidet den Reality-Crash nach dem anderen. Die Opfer und Hinterbliebenen können noch klagen - aber ein solcher Schaden ist mit keiner Währung der Welt wieder gut zu machen.
Versinnbildlichend für den Zustand eines Landes, das erkennen muss, schon lange dritte Liga in einer neuen Weltordnung zu spielen, ist dies die Geschichte die uns wahrscheinlich alle nachhaltig schockiert hat. Sind wir dem Geschehen und der unfassbaren Inkompetenz auf dem der einzigen Zukunft ausgerichteten Feld der Informationstechnologie ja doch ohnmächtig ausgesetzt. Die Tür zum Cockpit verschlossen, das Neuland, für Frau Merkel wie für das deutsche Industriemanagement, Terra Incognito.
Deutschland kriegt keinen Fuß mehr in die Welt der modernen Elektrotechnik - das ist blöd, wenn man Elektroautos bauen möchte. Denn immerhin werden in diesem Land Gesetze von der Automobilbranche gemacht, aufjedenfall willkommen im 20. Jahrhundert, CDU und SPD! Auch hier wird eifrig gespart, nicht nur an Ideen und Konzepten, sondern natürlich an der IT. Die deutsche Wirtschaft investiert 0,8% von ihrem Umsatz in die Informationstechnologie. Damit liegt sie weltweit in der unteren Hälfte des Mittelfelds. Das heißt aber auch, dass Länder wie Italien, Irland, USA (sowieso), Kanada, Großbritannien oder die Schweiz (1,3%) in etwas investieren, das Experten als das Informationszeitalter bezeichnen. Die Industrie des 21. Jahrhunderts ist weder der Rohstoff Öl noch die Herstellung von Fortbewegungsmittel (davon gibt es nämlich schon ausreichend), sondern das Internet und (Achtung Slogan) das Netz der Dinge. Weil Apple dies besonders geschickt vorlebt, ist Apple auch nicht umsonst das wertvollste Unternehmen der Welt.
Selbstverständlich kann man von einer Frau wie unserer Bundeskanzlerin keine technophile Begeisterungsstürme erwarten. Dem gegenüber steht die Tatsache nicht im Widerspruch der Erkenntnis, dass Deutschland ein Land der Ingenieure ist, wenn die deutsche Wirtschaft sich sang und klanglos weich-hacken lässt, von Geheimdiensten, der NSA, der eigenen Polizei oder wütenden Kids auf Energy-Drinks. Es ist eine systembedingte starre Unfähigkeit von Managern, das Problem dem Hochschulsystem zu übertragen, das nun mal leider dem US-amerikanischen weit unterlegen ist. Dort hat man auch seit Jahr und Tag verstanden wie wichtig Informationstechnologie für die Wirtschaft, dem Militär und der kulturellen Hegemonie ist - wenn man zumindest einem Entwicklungsland wie Deutschland, mit all seinen willfährigen heuchlerischen Politikern und Staatsbeamten, wie am Schnürchen die Geheimnisse stehlen kann.
Der Cloud-Suizid ist nirgends so plastisch greifbar wie auf dem Arbeitsmarkt. Und wenn wir ehrlich sind, wirkt so manche Stellenausschreibung wie die Suche nach eierlegenden Wollmilchsäuen mit eingebauten Datenbrillen im IT-Workerhelm, die beispielsweise ausgezeichnete Kenntnisse von Frameworks fordern, die erst letztes Jahr auf den Markt kamen, bei abgeschlossenem Hochschulabschluss und gleichzeitig mehrjähriger Berufserfahrung in derselben Tätigkeit (was allerdings als Junior-Gehalt bezahlt wird). Wer etwas davon versteht, der weiß zum Beispiel, dass das IT-Studium zu 25% aus Jura und 50% aus BWL besteht. Schlussendlich begriffen hat man als erfolgreicher Absolvent eines solchen Studienganges dann auch, dass man versagt hat, wenn man um Steuerberater, Buchhalter und der Konsultation von anwaltlicher Hilfe sowieso nicht herum kommt, und danach noch die Stellenangebote sondiert. Außer wertlosem Wissen, dem Verlust von wertvoller Lebenszeit sowie dem Diplom zum herumklicken hat man nichts in der Hand. Während sich der Fortschritt in der digitalen Welt unaufhaltsam und mit rasender Geschwindigkeit - noch vornehmlich aus dem Silicon Valley daher kommend - seinen Weg durch die verkrusteten industriellen Spinnenweben bahnt.
Gleichzeitig ist nichts so undurchlässig wie der deutsche Glaube an Urkunden und Zertifikate im Arbeitsleben. In der unglaublich schnelllebigen Informationstechnologie ein regelrechter Witz. So werden in Deutschland die besten Ideen und viel zu viele Talente auf diesem Gebiet ins Nirvana der Arbeitswelt geschickt. Synonym dafür steht die Aktion der Bundesregierung Jugend Forscht. Ein klares Signal an die Welt da draussen: Forschung ist etwas für Kinder, die Erwachsenen stehen bei VW am Fließband (oder klicken sich Open Source Frameworks zu Webseiten zusammen). Egal, hauptsache es kostet nichts.
Ein Land das so wenig in Bildung und Durchlässigkeit in seinen Systemen investiert ist bereits selbst Opfer seines idiotischen Systems geworden. Vom Bock zum Gärtner wird, wer dringend benötigtes Personal sucht, aber gar nicht weiß wen und was er überhaupt braucht, da das Know-how auf irrwitzig niedrigem Niveau steht. Hier liesse sich noch abendfüllend über weitreichende dumbe Managementfehler berichten, die Arbeitnehmer klein halten mit Partialaufgabenbereichen, verstellten Aufstiegschancen oder befristeten Arbeitsverhältnissen, obwohl ein solcher kaum höher qualifizierter sein könnte, wenn er genau diese Tätigkeit seit 3 oder 4 Jahren perfekt ausübt. Alles ist hier noch ausgerichtet auf die Rettung von Pfründen, statt dem Schaffen von Neuem - in einer Zeit, in der bereits jedes 2. Unternehmen seine wirtschaftliche Orientierung umstellen musste, dank der digitalen Revolution. Und wer es ernsthaft glaubt, wie Personalentscheider landauf und landab, die digitale Revolution ließe sich durch starre Lehrpläne an eine Generation übertragen, der hat nicht mehr alle Nadeln an der Tanne. Ein größeres Interesse besteht nämlich ganz sicher darin, das Personal gar nicht erst besetzen zu müssen, da man in Deutschland auf den gehobenen Entscheidungsebenen keine neue Klasse von Entscheidern einzuführen gedenkt. Dafür drückt man gerne Löhne und mobilisiert die Lobbyarbeit eines Verbands um bei der Politik Billigarbeitskräfte aus Schwellenländern auf den heimischen Arbeitsmarkt zu holen. Diese kann man noch wie Arbeitssklaven gängeln und zur Not mit Abschiebung drohen, womit die Ottos, Audis, Siemens und Deutsche Bank erst mal noch eine Weile vor sich hin muckeln können, bis auch da der letzte Pocahonta das Licht ausknipst.
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